Cannabis Sünde sein?
Ab dem 1. April soll in Deutschland der Cannabiskonsum für Erwachsene legal werden. Warum die Bundesregierung das Gesetz initiiert hat, welche Ziele sie mit der Neuregelung verfolgt und wie Kinder und Jugendliche geschützt werden sollen. Ein Überblick.
Nach Ansicht der Bundesregierung stößt die bisherige Drogenpolitik zum Cannabiskonsum an ihre Grenzen. Denn trotz Verboten steigt der Konsum von Cannabis gerade bei jungen Menschen an. Allein in Deutschland haben im Jahr 2021 mehr als vier Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren innerhalb der letzten 12 Monate Cannabis konsumiert. Cannabis, das auf dem Schwarzmarkt gekauft wird, ist häufig mit Gesundheitsrisiken verbunden. Es kann verunreinigt sein und einen unbekannten Tetrahydrocannabinol-Gehalt (THC-Gehalt) enthalten, dessen Wirkstärke Konsumentinnen und Konsumenten nicht abschätzen können.
Daher hat sich die Bundesregierung für eine neue Drogenpolitik eingesetzt. Der Gesetzesentwurf, den der Bundestag nun verabschiedet hat, basiert auf dem 2-Säulen-Eckpunktepapier, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im April 2023 vorgestellt hatten. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Bestandteil des Gesetzesvorhabens.
Welche Ziele verfolgt das Gesetz?
Es geht der Bundesregierung darum, den illegalen Cannabis-Markt einzudämmen, die Qualität von Cannabis zu kontrollieren, die Weitergabe von verunreinigten Substanzen zu verhindern und damit zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, mehr für Aufklärung und Prävention zu tunund den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Künftig sollen Erwachsene in begrenzten Mengen privat (bis zu drei Pflanzen) oder in nicht-gewerblichen Vereinigungen Cannabis anbauen dürfen. Über diese Anbauvereinigungen soll Cannabis an Erwachsene zum Eigenkonsum kontrolliert weitergegeben werden dürfen. Der Besitz von bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis soll künftig straffrei sein. Dies gilt für den öffentlichen Raum. Für den privaten Raum gilt die Grenze von 50 Gramm getrocknetem Cannabis. Es soll ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen geben. Für Minderjährige bleibt der Besitz von Cannabis nach wie vor verboten. Zudem bestehen Sonderregelungen für junge Erwachsene – mit geringeren Abgabemengen und reduzierten THC-Gehalten. Es soll ein Konsumverbot von Cannabis in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr geben. Aufklärung und Prävention zu Cannabiskonsum sollen gestärkt werden.
Wie soll der Kinder- und Jugendschutz gewährleistet werden?
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein zentrales Ziel des Gesetzesentwurfs. Er soll zum Beispiel durch diese Elemente gewährleistet werden: Minderjährige dürfen Cannabis auch weiterhin weder erwerben noch konsumieren. Cannabis an Minderjährige weiterzugeben, bleibt eine Straftat.
Cannabis soll nicht in Gegenwart von Jugendlichen konsumiert werden dürfen. Darüber hinaus soll es ein Konsumverbot in Sichtweite zum Beispiel von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen oder Sportstätten geben.
Minderjährige sollen Anbauvereinigungen nicht beitreten dürfen. An 18- bis 21-jährige Mitglieder darf in Anbauvereinigungen nur Cannabis mit einem begrenzten THC-Gehalt weitergegeben werden. Es darf keine Werbung für Konsumcannabis oder für Anbauvereinigungen geben. Es soll mehr Aufklärung und Prävention geben, unter anderem durch verstärkte Frühinterventionsprogramme für Minderjährige. Eine speziell auf junge Menschen ausgerichtete Präventions- und Informationskampagne soll Kindern und Jugendlichen die Gefahren des Cannabiskonsums erklären.
Wird überprüft, welche Auswirkungen die Neuregelung in Deutschland hat?
Ja. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Gesetz nach seinem Inkrafttreten evaluiert wird. Dies gilt mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz, aber auch mit Blick auf die cannabisbezogene organisierte Kriminalität. Wie geht es nun weiter? Nachdem der Bundestag das Gesetz nun verabschiedet hat, muss es noch der Bundesrat billigen. Das Inkrafttreten ist für den 1. April 2024 vorgesehen. Ab dann können Erwachsene nach dem vorgelegten Gesetzesentwurf in Deutschland legal Cannabis konsumieren. Ab dem 1. Juli 2024 sollen dann Anbauvereinigungen die Möglichkeit erhalten, Cannabis anzubauen.
Wie soll der Schwarzmarkt für Cannabis bekämpft werden ?
Durch die legale Möglichkeit des Eigenanbaus von Cannabis im Cannabisgesetz soll der Schwarzmarkt zurückgedrängt und für Konsumentinnen und Konsumenten ein sicherer Zugang zu Cannabis ermöglicht werden.Durch das Cannabisgesetz wird der private Eigenanbau ermöglicht. Daneben ist es nicht-gewerblichen Anbauvereinigungen unter engen, klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen – insbesondere unter aktiver Mitwirkung ihrer Mitglieder – erlaubt, gemeinschaftlich Cannabis anzubauen und an ihre Mitglieder für den Eigenkonsum weiterzugeben.
Wer konsumiert Cannabis in Deutschland?
4,5 Millionen Erwachsene haben nach einer Erhebung im Jahr 2021 in den vergangenen 12 Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert (10,7 Prozent der Männer sowie 6,8 Prozent der Frauen). Am häufigsten wurde Cannabis in der Altersgruppe der 18 bis 24-Jährigen konsumiert.
Wie schädlich ist Cannabis?
Wie ein Mensch auf die Inhaltsstoffe von Cannabis reagiert, ist individuell sehr unterschiedlich und wenig berechenbar. Faktoren sind u.a. individuelle Empfindlichkeit, Stimmungslage, Konsumart, Gesundheitszustand, Mischkonsum, und Vorerfahrungen. Für die Intensität und Dauer der Effekte ist insbesondere auch die aufgenommene Menge der Cannabis-Inhaltsstoffe maßgeblich. Akut (innerhalb von Stunden bis Tagen) können nach Cannabis-Konsum an Nebenwirkungen auftreten: Angst- und Panikgefühle, Orientierungslosigkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit, Erinnerungslücken, depressive Verstimmung, Herzrasen, Übelkeit oder Schwindel und Halluzinationen. Bei länger andauerndem Konsum können psychische Störungen wie Depressionen und Psychosen auftreten, insbesondere bei Menschen mit Vorerkrankungen oder mit einer besonderen Empfindlichkeit für diese Erkrankungen. Zudem besteht das Risiko der Entwicklung einer Abhängigkeit.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind aufgrund des Reifeprozesses des Gehirns bis zu einem Lebensalter von 25 Jahren besonders anfällig für psychische, physische und soziale Auswirkungen eines langfristigen, aber auch eines kurzfristigen Cannabiskonsums. Vor allem der Inhaltsstoff THC kann die Gehirnentwicklung stören.
Es konnte ein Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum bei Jugendlichen und schulischen Leistungen und Ausbildungsniveau gezeigt werden. Cannabis-Konsumierende haben eine höhere Schulabbruchrate, eine geringere Beteiligung an universitärer Ausbildung und weniger akademische Abschlüsse. Die Effekte sind stärker bei frühem Beginn des Konsums und hohem Konsum. Laut den aktuellen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden und dem Zoll liegt der durchschnittliche THC-Gehalt von Cannabisblüten bei circa 14 Prozent, bei Cannabisharz bei circa 20 Prozent. Jede erwachsene Person darf bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und mit sich führen.