Was wäre, wenn es die EU nicht geben würde?
Die EU ist so allgegenwärtig, dass ihre Vorteile oft für selbstverständlich gehalten werden. Doch wie sähe unser Leben aus, wenn es die Europäische Union nicht gäbe? Dieses FAQ zeigt, wie sich der Wegfall der EU auf unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auswirken würde.
Die Europäische Union bringt ihren Mitgliedsstaaten viele Vorteile, die das tägliche Leben direkt beeinflussen – von einem gemeinsamen Markt über Reise- und Arbeitsmöglichkeiten bis hin zu einer verstärkten politischen Zusammenarbeit. Doch was wäre, wenn diese Vorteile plötzlich wegfallen würden? Ein Gedankenspiel:
Was wäre wenn, die EU keine gemeinsamen Reise- und Grenzregeln hätte?
Ob als Tourist, Berufspendlerin oder LKW-Fahrer – die Freizügigkeit beim Reisen ist eine der größten Errungenschaften der Union. Alle EU-Bürgerinnen und -Bürger können die gemeinsamen Binnengrenzen der EU-Mitgliedsstaaten ohne Personenkontrolle überschreiten und profitieren damit von den gemeinsamen Reise- und Grenzregeln in der EU. Auch der Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten läuft viel reibungsloser.
Es gibt laut Schengener Grenzkodex Ausnahmefälle, in denen Grenzkontrollen wiedereingeführt werden können, allerdings nur in außergewöhnlichen Umständen und immer nur zeitlich begrenzt. Zum Beispiel, wenn eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit besteht. Die hohe Zahl irregulärer Migration an den deutschen Grenzen stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Daher beruft sich Deutschland seit September 2024 auf diese Ausnahmeregeln.
Was wäre wenn, die EU keinen gemeinsamen Binnenmarkt hätte?
Deutschland ist eine Handelsnation: Mehr als die Hälfte der Exporte gehen in die EU-Länder und fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab. Gleichzeitig ist Deutschland in der EU ein sehr begehrter Handelspartner. Für 15 der 27 EU-Mitgliedstaaten war Deutschland 2023 das Hauptzielland ihrer Warenexporte.
Der Binnenmarkt ermöglicht den Unternehmen einen einfachen Zugang zu einem Markt mit annähernd 450 Millionen Menschen. Stattdessen müssten sie für jeden Mitgliedsstaat andere Regeln beachten – und damit 27 unterschiedliche Zugänge. Ein immens großer Aufwand und eine Schreckensvision für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ohne die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes – den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital – müssten Zölle gezahlt und Visa beantragt werden. Preise würden steigen und ebenso die Arbeitslosigkeit.
Was wäre wenn, die EU nicht gemeinsam ihre Handelsinteressen wahrnehmen würde?
Deutschland hat eine starke Wirtschaft. Aber als einzelnes Land Handelsabkommen mit Wirtschaftsmächten wie den USA oder China aushandeln? Unsere Verhandlungsposition wäre viel schwächer als im Verbund von allen EU-Mitgliedstaaten. Der EU-Binnenmarkt ist mit rund 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern einer der größten gemeinsamen Wirtschaftsräume der Welt – und damit ein Partner, an dem keine globale Wirtschaftsmacht vorbeikommt.
Die EU hat deshalb die Macht, auf eine wertebasierte Handelspolitik hinzuwirken – also Wirtschaftswachstum mit sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechtsstandards und Rechtsstaatlichkeit zu verbinden. Wir können auf Normen für den Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz bestehen. Alle EU-Mitgliedstaaten bestimmen die Weltwirtschaft mit – als einzelner Staat, ohne Verbund eher nicht.
Was wäre wenn, die EU keine ge-meinsame Währung hätte?
Rund 350 Millionen Menschen weltweit nutzen den Euro täglich und machen ihn damit zur am zweithäufigsten verwendeten Währung der Welt. In 20 der 27 Mitgliedstaaten ist der Euro offizielle Währung. Auch in einigen Nicht-EU-Staaten und Gebieten wird der Euro als Zahlungsmittel verwendet, darunter unter anderem Monaco, Andorra, Kosovo und Montenegro. Bei einer Reise durch Europa erspart das hohe Wechselgebühren und intransparente Preise.
Auch die deutsche Wirtschaft würde sehr darunter leiden, wenn jedes Land seine eigene Währung hätte. Die stark exportorientierte Wirtschaft hätte mit Wechselkursschwankungen zu kämpfen. Sie müsste jedes Jahr erhebliche Kosten für die Transaktionen aufwenden, mit der Folge, dass die Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher steigen würden.Der Wegfall der Handelshindernisse in der EU hat zu einer Vertiefung des Binnenmarktes geführt. So gingen 2023 beispielsweise knapp 40 Prozent der deutschen Exporte in Länder der Eurozone. Das schafft wiederum Arbeitsplätze in Deutschland.
Was wäre wenn, wenn sich die EU nicht für die Sicherheit aller einsetzen würde?
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden schützt auch jede Bürgerin und Bürger in Deutschland – denn Kriminalität organisiert sich längst international. Der Austausch von DNA und Fingerabdruckdaten sowie Daten aus Kfz-Registern steigert die Effizienz der EU-weiten Strafverfolgung. Europol , das „Europäische Polizeiamt“, stimmt die Polizeiarbeit der Mitgliedstaaten untereinander ab: Schwere Kriminalität und Terrorismus lassen sich europaweit besser bekämpfen.Seit 2021 verfolgt eine Europäische Staatsanwaltschaft Straftaten, die unsere finanziellen Interessen gefährden, darunter Betrug, Korruption, Geldwäsche. Die EU wappnet sich zudem gegen Cyberangriffe – denn nicht nur Infrastruktur und Wohlstand müssen wirksam gegen Angriffe aus dem Internet geschützt werden. All das könnte ein Land alleine nicht erreichen.

Was wäre wenn, wenn sich die EU nicht gemeinsam aktiv für den Umwelt- und Klimaschutz engagieren würde?
Umweltprobleme machen nicht an Landesgrenzen halt. Die EU-Umweltnormen schützen die menschliche Gesundheit und Lebensqualität in ganz Europa. Zugleich setzt sich die EU für den Erhalt der biologischen Vielfalt ein, die eine wichtige Rolle für unser Wohlergehen spielt.
Verschmutzte Gewässer und Phosphate im Trinkwasser sind heute kaum mehr vorstellbar. Ohne gemeinsame Regeln wären solche Erfolge viel schwieriger zu erzielen. Auch die Belastung mit Abgasen in den Städten ist mittlerweile stark zurückgegangen. Um die Luft reinzuhalten, hat die EU bereits 2005 Höchstwerte etwa für Schwefeldioxid und Blei festgelegt.
Auch der Trend zu höheren Recyclingquoten ist eine gute Nachricht. Nicht nur fallen Millionen von Tonnen jährlich weniger an Abfällen aus Kunststoffen und Metallen an. Die Wiederverwertung schont zugleich die endlichen Ressourcen. Zudem haben sich die Mitgliedstaaten 2019 auf den Green Deal verständigt. Ziel ist es, bis 2050 klimaneutral zu werden. Erreicht werden soll dies unter anderem durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen, Förderung erneuerbarer Energien und nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung.
Die EU setzt sich darüber hinaus für hohe Klimaschutzstandards in der europäischen Industrie ein, etwa, indem sie neue Klimaschutztechnologien wie den Ausbau der Solar- und Windenergie sowie der Wasserstoffindustrie unterstützt.
Was wäre, wenn die EU keinen Verbraucherschutz garantieren könnte?
Beim Einkauf gäbe es kein EU-weites Gewährleistungsrecht. Dieses Recht sichert Kundinnen und Kunden zu, dass gekaufte Ware nachgebessert, ersetzt oder der Preis gemindert oder erstattet werden muss, wenn ein Artikel mangelhaft ist. Ohne gemeinsamen Verbraucherschutz gäbe es auch keine kostenlose Garantie von mindestens zwei Jahren oder gar das 14-tägige Widerrufsrecht – egal, ob man im Laden oder online kauft.
Es gäbe ebenso wenig das EU-einheitliche Energielabel, das leicht erkennbar Informationen über die Energieeffizienz eines elektronischen Gerätes gibt. Nur mühsam wären Kaufentscheidungen mit Blick auf Preiswertigkeit und Treibhausgasemissionen zu fällen.
Fehlen würde zudem das Ökodesign-Gesetz der EU, das den Aspekt der Nachhaltigkeit bereits bei der Entstehung von Produkten fördert. Bis 2030 würde somit allein Energie von geschätzten 230 Millionen Tonnen Rohöläquivalenten EU-weit nicht eingespart werden.
Auch beim Reisen würden viele Vorteile wegfallen: Wenn eine Flug- oder Bahnreise in einem anderen EU-Land ausfällt, würden die Kosten nicht unbedingt erstattet werden. Ebenso gäbe es nicht zwangsläufig Entschädigungen, wenn sich die Reise erheblich verzögert. Auch der nationale Führerschein würde nicht in ganz Europa automatisch anerkannt werden.

Was wäre wenn, wenn sich die EU nicht gemeinsam für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger einsetzen würde?
Im Krankheitsfall während eines Urlaubs in Europa, sorgt die europäische Krankenversicherungskarte dafür, dass die dringende Gesundheitsversorgung zu denselben Bedingungen und Kosten bereitgestellt wird wie für die Versicherten des jeweiligen Landes. Wer in Deutschland gesetzlich versichert ist, muss die Europäische Krankenversicherungskarte nicht beantragen – sie ist automatisch auf der Rückseite der Versichertenkarte aufgedruckt. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg sehr wichtig sein kann - zum Beispiel, um gemeinsam Impfstoffe auf dem Weltmarkt zu beschaffen oder mit einem gemeinsamen Impf-Zertifikat, sicheres Reisen innerhalb der EU zu er möglichen.
Mit dem „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten”, der 2025 eingeführt wurde, können Patientinnen und Patienten EU-weit schnell und einfach Zugang zu den eigenen elektronischen Gesundheitsdaten bekommen. Für die optimale Behandlung erhalten auch Angehörige der Gesundheitsberufe umfassenden Zugang zu Daten zum Beispiel zu Röntgenbildern oder Impfungen.
Von diesen EU-Vorteilen profitieren Unternehmerinnen und Unternehmer:
Die Europäische Union ist der größte Binnenmarkt der Welt – davon profitieren die Unternehmerinnen und Unternehmer in der EU. Doch dies ist nur einer von vielen Vorteilen, den die EU für die Unternehmen mit sich bringt. Ob freier Zugang zum Binnenmarkt, ein europaweiter Arbeitsmarkt oder die Förderung von kleinen Unternehmen: Unternehmerinnen und Unternehmer profitieren in vielerlei Hinsicht von der Europäischen Union. Deswegen gilt die europäische Einigung als Erfolgsmodell für die Wirtschaft – und damit auch für den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger.
Seit 1993 hat die EU einen gemeinsamen Binnenmarkt. Grundsätzlich ist es den Mitgliedstaaten seitdem verboten, den grenzüberschreitenden Austausch und Handel zu behindern oder zu beschränken. Dieses Verbot bezieht sich auf die vier Grundfreiheiten der EU: freier Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Lediglich aus triftigem Grund, wie beispielsweise die Wahrung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder der Gesundheitsschutz, sind Ausnahmen zulässig. Besonders für ein Land wie Deutschland, in dem jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt, ist ein gemeinsamer Binnenmarkt von großem Vorteil. Doch dies ist nur einer von vielen Vorteilen, den die EU für Unternehmen mit sich bringt:
Die EU schafft freien und fairen Wettbewerb für alle
Die EU sorgt für fairen und freien Wettbewerb in ganz Europa. Sie schützt damit insbesondere auch kleinere Unternehmen. Diese Wettbewerbsregeln gelten einheitlich in allen Mitgliedstaaten und für alle Unternehmen.
Unternehmerinnen und Unternehmern in allen Ländern der EU wird diskriminierungsfreier Zugang zum zweitgrößten Binnenmarkt der Welt ermöglicht. Sie dürfen ihre rechtmäßig in der EU hergestellten Waren frei in jedem anderen EU-Staat verkaufen und zahlen dabei keine Zölle auf Ein- oder Ausfuhren.
Eine der größten Herausforderungen für Unternehmerinnen und Unternehmer in ganz Europa ist der Fachkräftemangel. Die EU bringt durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit Arbeitskräfte und Arbeitgeber zusammen. Sie erleichtert die Anerkennung von Abschlüssen und verringert den Aufwand für die Unternehmen, Menschen aus anderen EU-Staaten einzustellen.
Unternehmen, die über Landesgrenzen hinweg online Produkte verkaufen, mussten früher in jedem Land eine Mehrwertsteuererklärung abgeben. Jetzt gibt es ein zentrales Online-Portal für alle Länder der EU: die sogenannte einzige Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer oder auch „One Stop Shop“ – das spart viel Aufwand und Bürokratie.
Rund 99 Prozent der Unternehmen in der EU sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Die EU unterstützt sie aktiv – etwa mit Programmen, die den Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten erleichtern und den Verwaltungsaufwand verringern. So soll die EU der attraktivste Ort für die Gründung und die Entwicklung kleiner Unternehmen werden.
Die Initiative „Start-up Europe“ fördert junge Unternehmen, deren Tätigkeit über Landesgrenzen hinweg geht. Sie zielt darauf ab, die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer mit möglichen Investoren, Universitäten und anderen zusammenzubringen.