Wege aus der weltweiten Wasserknappheit
Ein Bündnis von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie Vertreter/innen der öffentlichen Wasserwirtschaft forderte die Bundesregierung auf, die kostbare Ressource Wasser stärker zu schützen.
Wie nie zuvor steigen in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, Nutzungskonflikte über Grundwasserressourcen, die aufgrund des Klimawandels und des steigenden Wasserbedarfs zunehmen.
In Deutschland werden mehr als 70 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen, es ist damit eine unverzichtbare Ressource. Die zunehmenden Hitzeperioden und die steigende Entnahme führen zu einem seit Jahren sinkenden Grundwasserspiegel.
Hinzu kommt eine zunehmende Verschmutzung des Grundwassers durch Pestizide und Nitrat, die vor allem durch die konventionelle Landwirtschaft eingetragen werden. „Das Vorsorge- und Verursachungsprinzip muss konsequent angewendet werden, mit dem Ziel, einen nachhaltigen und langfristigen Schutz unserer Grundwasserressourcen – unseres unsichtbaren Schatzes – zu erreichen und die Verursachenden an den zusätzlich entstehenden Kosten sachgerecht zu beteiligen.
Der aufwändige und teure Reinigungsprozess wird größtenteils von den Verbraucher/innen bezahlt. Insofern hat der Grundwasserschutz neben dem Umweltschutz auch eine enorme soziale und ökonomische Bedeutung für die Menschen in den Städten und Regionen“, erklärt Durmus Ünlü, Koordinator der AG Wasser im Forum und Entwicklung und Geschäftsführer der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft.
Gleichzeitig sei es höchste Zeit, dass sich die Landwirtschaft auf ihre Wurzeln besinnt und Ökolandbau zur vorherrschenden Anbaumethode werde.
Es brauche eine substanzielle Reduktion des Nitrateintrags in Folge von übermäßiger Düngung (Mineraldünger, Gülle). Das Bündnis von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen fordert deshalb vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir einen nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft mit einer deutlichen Reduktion des Pestizideinsatzes – für Artenvielfalt und ein gesundes ökologisches Gleichgewicht.
Der Klimawandel zeigt die Schwächen der bisherigen konventionellen Landwirtschaft auf:
Ernteeinbußen durch Dürren werden mit steigender Bewässerung, Düngung und noch mehr Pestiziden ausgeglichen, also mit den gleichen Rezepten, die bereits als zentrale Ursachen für den Klimawandel und für Umweltschäden erkannt wurden. Der Ökolandbau trägt sowohl qualitativ als auch quantitativ dazu bei, dass das Grundwasser geschützt wird.
Um ihren menschenrechtlichen Pflichten gerecht zu werden, muss die Bundesregierung die Weichen für eine Umstellung der Landwirtschaft und unseres Ernährungssystems auf agrarökologische Ansätze schnell voranbringen“, fordert Gertrud Falk, Referentin bei FIAN Deutschland. Die Bundesregierung müsse vor allem die am meisten unter Wasserstress stehenden Regionen stärker dabei unterstützen, alternative Anbaumethoden umzusetzen.
Der Angriff der russischen Armee auf die Wasserversorgung z.B. in Mariupol zeigt, wie wichtig der Schutz unseres Wassers zum Überleben der Menschen ist. „Gleichzeitig wenden wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnerorganisationen gegen Versuche, die Krisensituation in der Ukraine zum Anlass zu nehmen, die positiven Ansätze des Green Deal, der Farm to Fork – Strategie und der Biodiversitätsstrategie aufzugeben.“, betont Michael Bender, Leiter der GRÜNE LIGA Bundeskontaktstelle Wasser.
Grundwasser ist die Quelle von etwa der Hälfte des weltweit durch Privathaushalte genutzten Wassers.
Die Bewässerung in der Landwirtschaft hängt zu etwa einem Viertel vom Grundwasser ab. Trotz dieser enormen Bedeutung wird Grundwasser vielerorts kaum verstanden und schlecht verwaltet. Dies hat sehr unterschiedliche Folgen: In manchen Erdteilen dramatische Übernutzung und Verschmutzung, in anderen Regionen wie Afrika eine viel zu geringe Nutzung. Zu diesem Schluss kommt der Weltwasserbericht 2022, den die UNESCO im Auftrag der Vereinten Nationen erstellt hat. Die Studie fordert höhere Investitionen und bessere Regulierung durch Regierungen zum Schutz des Grundwassers. Der Bericht wurde unter dem Titel „Grundwasser – Unsichtbares sichtbar machen“ auf dem Weltwasserforum in Senegals Hauptstadt Dakar vorgestellt.
„Der Weltwasserbericht zeigt verheerende Wissens- und Regulierungslücken beim Grundwasser. In vielen Weltregionen wird Grundwasser ohne Rücksicht auf die Folgen übermäßig aus der Erde gepumpt. Teils erneuern sich die Vorräte nicht, teils sinkt dadurch der Boden ab. In anderen Gegenden könnte man dagegen mehr Grundwasser nutzen und damit die Ernährungssicherheit erhöhen.
In Deutschland wiederum werden die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser an jeder sechsten Messstelle überschritten, weshalb der Europäische Gerichtshof Deutschland 2018 verurteilt hat.
Gerade die Landwirtschaft als wichtigster Verursacher der Nitratkonzentrationen hierzulande muss endlich eine echte Transformation durchlaufen“, fordert Ulla Burchardt, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission.
Die Situation unterscheide sich laut Weltwasserbericht von Erdteil zu Erdteil drastisch.
Asien sei der Kontinent mit der intensivsten Grundwassernutzung. Die vor allem durch die Landwirtschaft entnommene Menge sei doppelt so hoch wie auf allen anderen Kontinenten zusammen.
Dadurch erschöpften sich die großen Vorräte in Teilen Chinas und Südasiens sehr schnell. Zugleich werde das Grundwasser teils stark verschmutzt. Europa entnehme mit sechs Prozent der weltweiten Menge deutlich weniger Grundwasser und nutze diese vor allem zur Trinkwassergewinnung. Übernutzung drohe in Europa nur selten, aber Verschmutzung durch die Landwirtschaft trete in 38 Prozent aller Grundwasserleiter auf, vor allem durch zu hohe Nitratbelastung.
In vielen Ländern südlich der Sahara würden die riesigen Grundwasserreserven dagegen kaum genutzt. Nur drei Prozent der Ackerflächen seien mit entsprechenden Bewässerungssystemen ausgestattet, davon nutzen wiederum nur fünf Prozent Grundwasser.
Die Erschließung des Grundwassers könne laut des Berichts gerade in Afrika ein Katalysator für wirtschaftliche Entwicklung sein, indem die bewässerten Flächen vergrößert und damit die landwirtschaftlichen Erträge und die Vielfalt der Anbaukulturen erhöht werden.
In Afrika wie in vielen anderen Weltregionen sei die Qualität des Grundwassers im Allgemeinen gut.
Es biete eine ebenso sichere wie kostengünstige und verlässliche Möglichkeit, ländliche Regionen mit Wasser zu versorgen.
Die geringe Nutzung des Grundwassers ist dem Bericht zufolge vor allem auf eine mangelnde Infrastruktur und fehlende Fachkräfte zurückzuführen.
Der Weltwasserbericht fordert, die Investitionen in die Grundwasserbewirtschaftung zu erhöhen und zugleich mehr und bessere Daten zum Grundwasser zu erheben sowie schärfere Umweltvorschriften zu erlassen und umzusetzen. Investitionen sollten auch durch Entwicklungszusammenarbeit gestärkt werden.
Es sei an den Regierungen, Verantwortung zu übernehmen und durch starke Institutionen, eine bessere Regulierung und angemessene Finanzierung für den Schutz des Grundwassers vor Übernutzung und Verschmutzung zu sorgen.
Wegen des Klimawandels sei immer weniger Oberflächenwasser verfügbar. Zugleich werde der Wasserverbrauch in den nächsten 30 Jahren aufgrund von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie veränderter Konsumgewohnheiten jährlich um etwa ein Prozent steigen.
Aktuelle und künftige Wasserkrisen seien daher nur mithilfe des Grundwassers zu bewältigen. Eine bessere Nutzung des Grundwassersystems könne dem Weltwasserbericht zufolge zur Klimaanpassung beitragen. So sei es etwa möglich, saisonale Überschüsse von Oberflächengewässern in Grundwasserleitern zu speichern. Das könne helfen, Verdunstungsverluste zu verringern, wie sie etwa bei Stauseen auftreten.
Der Zugang zu sicherem Wasser und sanitären Dienstleistungen ist ein Menschenrecht und gehört zu den 17 Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung. Daran erinnerte der Weltwassertag am 22. März.
Weltweit haben derzeit 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. 3,6 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicheren Sanitäranlagen, 500 Millionen verfügen nicht einmal über einfachste Latrinen. Etwa vier Milliarden Menschen leben in Regionen, die in mindestens einem Monat pro Jahr von großer Wasserknappheit betroffen sind.