Mit alternativen und natürlichen Baustoffen die Zukunft erbauen:
Was die Menschheit von Mutter Natur lernen kann
Bis zum Jahr 2050 werden 2,5 Milliarden Menschen weltweit zusätzlichen Wohnraum benötigen. Vor allem in Asien und Afrika. Die Folgen sind bereits seit einigen Jahren weltweit spürbar. Fast 40 Prozent der globa len Treibhausgasemissionen entfallen auf das Bauen und den Betrieb von Gebäuden. Besonders klimaschädlich ist dabei Beton! Auch bei uns in Europa wird immernoch hauptsächlich mit Beton gebaut. Alternativen sind dringend nötig, werden zunehmend erforscht und sind bereits Realität.
Erste Projekte zeigen, wie das neue Bauen funktionieren könnte: Mit weniger Energieaufwand, alten Bautechniken und neuen Hightechlösungen. Nach dem guten Vorbild der Natur!
Aber welche der alternativen Baustoffe haben tatsächlich das Zeug dazu, Neubauten klimaverträglicher zu gestalten? Und was taugt lediglich als Nischenprojekt? So wie wir Menschen bauen, heizen wir die Erde auf! Aber nicht zu Bauen ist natürlich auch keine Option. Die in Zukunft dazukommenden Menschen brauchen ja schließlich ein Dach überm Kopf und auch Infrastruktur. Und die alten Gebäude und Strukturen müssen erneuert werden.
Bis zum Jahr 2060 müssen aufgrund der sich rasend ausbreitenden Population der Menschheit 230.000 Milliarden Quadratmeter an umbauter Fläche dazukommen! Dies sind nochmal so viele Strukturen und Gebäude, wie jetzt bereits auf der Erde existieren. Und Beton war bisher dafür der perfekte Baustoff. Allerdings belastet Beton die Umwelt zu sehr.
Beton! Das Gemisch aus Sand, Wasser und Zement ist der Stoff aus dem unsere Städte, unsere Infrastruktur und unsere Verkehrswege sind. Die „moderne Welt“ setzt auf diesen Baustoff. Wie haltbar Beton ist, zeigt der Blick in die Antike. Bauwerke, wie das Pantheon in Rom stehen bereits seit 2000 Jahren. Bei der Herstellung von Beton brannten die Römer Kalk bei Temperaturen von 900 Grad Celsius zu einer Art frühen Zement und vermischten das Produkt mit Wasser und Steinen oder Ziegelbruchstücken zu einem Kunststein. Besonders beständig wurde dieser jedoch erst durch eine Zutat: Vulkanische Asche. Im 20. Jahrhundert war es dann die Kombination mit Stahl, die der Menschheit ein universelles Baumaterial ermöglichte. Der Stahlbeton!
Dank der Wiederentdeckung des Zementbrennens wurden gigantische Dämme und Wolkenkratzer möglich. Dass Beton ein Umweltproblem hat, liegt vor allem am Zement! Noch heute ist der Hauptbestandteil von Zement Kalkstein. Er wird zermahlen und zu Zementklinker gebrannt. Um ohne die Vulkanasche ein wasserfestes Bindemittel zu erhalten, braucht man für den modernen Zement mehr Kalk. Und dieser muss stärker auf 1450 Grad Celsius erhitzt werden. Dabei entstehen große Mengen an CO2. Ein Drittel entsteht aufgrund der eingesetzten Brennstoffe. Der Rest entsteht bei der chemischen Reaktion des Kalkbrennens.
Allein in Deutschland landen so um die 20 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in die Atmosphäre. Weltweit entfallen rund acht Prozent aller Treibhausgasemissionen auf die heutige Zementproduktion. Das ist etwa dreimal so viel, wie der globale Flugverkehr. Genau deshalb testet man derzeit eine Alternative zum Stahl im Beton.
In der Nähe von Dresden werden Betonelemente hergestellt, bei denen das Stahlskelett durch ein Geflecht aus Carbon–Fasern ersetzt wird. Dabei ist im Vergleich mit Stahlbeton nur die Hälfte der ursprünglichen Betonmenge nötig. Hier entstehen die Wände für das erste Gebäude weltweit, welches komplett aus Carbon-Beton besteht. Dabei sollen bis zu 50 Prozent weniger CO2 frei werden als bei einem vergleichbaren Gebäude aus Stahlbeton. Dennoch: Die Suche nach Alternativen ist weiter wichtig:
Aktuell gibt es nämlich keinen finanziellen Druck auf die Bauindustrie, denn Beton ist noch sehr günstig. Ein Liter Beton kostet immer noch weniger als ein Liter Mineralwasser. Warum? Weil die Schäden, welche die Herstellung von Beton verursachen, einfach nicht eingepreist sind! Für die Herstellung von Beton braucht man Zement.
Wäre die Zementindustrie ein autonomes Land, dann wäre sie der viertgrößte Emittent an Treibhausgasen weltweit! Nach China, USA und Indien. Denn die Zement- und die Betonproduktion wächst nahezu unaufhörlich weiter, weil eben auch der weltweite Bedarf ständig steigt. Und für den Beton braucht es noch zusätzlich Sand. Und auch die Nachfrage und Verwendung für Sand hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht.
Allein pro Jahr verbraucht die Menschheit derzeit 50 Milliarden Tonnen Sand. Das sind pro Person der Weltbevölkerung 18 Kilogramm pro Tag! Das muss sich dringend ändern! Es gibt ein Material, dass vielerorts unmittelbar unter unseren Füßen liegt: Lehm, einer der ältesten Baustoffe der Menschheit! Weltweit wohnt ein Drittel der Menschheit in Bauten aus Lehm. In Schlinz im österreichischen Vorarlberg entsteht ein Wohnhaus aus gestampftem Lehm und ungebrannter, verdichteter Erde. Das Haus ist ein Prototyp. Es soll demonstrieren, wie Wohnhäuser aus Stampflehm in Serie gebaut werden können. Die Herstellung von Wänden aus Stampflehm benötigt nur 15 Prozent soviel wie Betonwände! Zudem ist Lehm fast überall verfügbar und leicht zu gewinnen und auch das Raumklima ist hervorragend!
Martin Rauch versucht seit 30 Jahren das Bauen mit dieser Alternative in Europa attraktiv zu machen. Noch ist der Lehmbau in Europa vergleichsweise teuer und zudem ein Nischenprodukt. Rauch will das ändern. Er fertigt Bauelemente aus Lehm in industriellem Maßstab an. Drei Wochen lang müssen die Fertigelemente trocknen, danach können sie im Baukastenprinzip montiert werden. Häuser von bis zu sechs Geschossen, sind ohne weiteres möglich. In den vergangenen 30 Jahren hat Martin Rauch auf eindrucksvolle Weise gezeigt, was alles mit Lehm machbar ist. Und er ist nicht der Einzige, der das Potential von Lehm austestet.
tet ein Team daran, Lehmhäuser praktisch auf Knopfdruck zu produzieren. Für das Verfahren, bei dem Lehmbauten von einem riesigen 3D-Drucker Schicht für Schicht gedruckt werden, standen Wespen und ihre Nester Pate. Innerhalb von wenigen Tagen entsteht so ein Haus nach dem Vorbild der Natur.
Künftig könnten mobile Drucker die Häuser an Ort und Stelle errichten, mit praktisch kostenlos verfügbarem Material. Eine Umweltfreundliche und günstige Option, vor allem in heißen Regionen. In welchem Umfang künftig Lehm Beton ersetzen könnte, kann heute noch niemand sagen. Aber die Renaissance des Lehmbaus hat begonnen. Die Verwendung von Lehm hat im Grunde nur Vorteile.
Es gibt jedoch auch einige effektive und nachwachsende alte Baustoffe, zB. auf anderen Kontinenten wie in Asien. Der Bambus ist in seinen Eigenschaften vergleichbar mit Stahl. Bambus ist perfekt in Belastbarkeit und Umweltverträglichkeit. Und auch bei uns in Deutschland gibt es auch noch so einen „Wunderstoff“! Er wächst nach, speichert CO2 und ist als Wald, der Deutschen liebstes Kind.
Das One Worldcenter in Manhatten: Wie sein alter Vorgänger ein Koloss aus Stahlbeton. Dabei hätte es auch ein Hochhaus aus Holz sein können. Inzwischen ist so etwas technisch durchaus möglich aber ist es auch sinnvoll? Am Berliner Südkreuz wird eines von 450 vorgefertigten Elementen aus Holz verbaut.
Hier wächst Deutschlands erstes Hybrid Holzhochhaus! Das achtstöckige Gebäude wird zu großen Teilen aus Holz bestehen. Dank der Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes wird beim Bau 40 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als bei einem vergleichbaren Bau aus Stahlbeton. Hochhäuser aus Holz sind ein weltweiter Trend. In Tokio ist für 2043 ein Hochhaus geplant, welches mit 350 Metern alle Rekorde von Holzbauten brechen soll. Das derzeit höchste Holzhochhaus der Welt wurde in Norwegen gebaut. Es ist 85 Meter hoch und besteht fast vollständig aus Holz.
Jeder Kubikmeter Holz speichert 300 Kg CO2. In einem Einfamilienhaus aus Holz sind somit 68 Tonnen CO2 gespeichert. Damit kompensiert so ein Holzhaus insgesamt die Emission von 22 Hin- und Rückflügen von Berlin nach New York. Fachleute schätzen, dass der derzeitige jährliche Ertrag des deutschen Waldes ausreichen würde, um die 300.000 jährlich benötigten Wohneinheiten hierzulande aus Holz zu bauen. Bei nachhaltigem Waldmanagement, jedoch ohne Fichten, ist das Potential für nachhaltigen Holzhausbau in Deutschland vorhanden.
Weitere innovative Lösungen sind begrünte Gebäude. Auch hier beginnt ein weltweiter Trend. Weltweit lebt bereits über die Hälfte der Menschen in Städten. Hier ist es deutlich heißer als im Umland. Klimaanlagen verschärfen das Problem, denn ihre Abluft erhitzt die Außenluft zusätzlich. Pflanzen kühlen aber für mehr Grünanlagen am Boden ist kein Platz. Die einzige Chance: In den Städten Fassaden und Dächer zu Gärten machen!
Für den Köhbogen 2 in Düsseldorf haben Architekten berechnet, welche Pflanzen sich besonders gut dafür eignen. Ihre Wahl: Die heimische Hainbuche. Das dichte Laub isoliert im Sommer gegen Wärme. Das CO2 Problem können bepflanzte Dächer und Fassaden nicht lösen. Aber sie können das Mikroklima in der Stadt drastisch verbessern.
Die Begrünung unserer Städte nicht nur in der Horizontalen sondern auch in der Vertikalen ist eine klassische Win-win -Situation!
Machen wir doch aus grauen Glas und Steinwüsten Grüne Oasen! Man stelle sich vor, es gäbe in unseren Städten immer mehr Gebäude aus Holz und Lehm mit grünen Fassaden. Von der Natur lernen. Da können unsere Baumeister/innen noch so manches erfahren. Denn die Natur ist nun mal die perfekte Kombination von Ökonomie und Ökologie. In der Natur wird alles verwendet. Aber immer nur soviel, wie gerade unbedingt nötig.
In Stuttgart geht es bei dem Unternehmen Fiber Deutschland darum, wie man beim Bauen den Ressourcen beim Energieverbrauch minimieren kann. Hier wird daran gearbeitet, in Zukunft so wenig Material beim Bau einzusetzen, wie nur eben nötig. An der Uni Stuttgart nutzt ihr Team dafür modernste Software für Planung und Konstruktion. Die Mittel sind Hightech. Doch Vorbild ist die älteste Baumeisterin der Welt: Die Natur! Denn, ob Spinnennetze, Käferflügel oder Kakteen: Die Konstruktionen der Natur haben alle eines gemeinsam: Sie kommen mit einem Minimum an Material aus. Und alle setzen auf ein einziges Baumaterial: Fasern!
Fasern sind ideal für den sparsamen Umgang mir Ressourcen. Die Zukunft des Bauens, sie könnte auch aus Fasern bestehen!
Die Natur zeigt der Menschheit doch im Grunde, wie es geht! Wenn wir Menschen die Tatsache, dass unser Bauen unser Leben auf der Erde gefährdet wirklich akzeptieren können, dann ist und bleibt doch unsere größte Hoffnung, dass wir die wichtigen Prozesse der Natur nicht nur kennen, sondern sie auch zukünftig als Leitbild intensiv nutzen! Wenn wir das global begreifen, dann könnte auch der Gebäudesektor enorm wichtig werden bei der Einleitung der jetzt unbedingt nötigen und großen Transformation bis hin zu nachhaltig agierenden Gesellschaften weltweit. Konsequente Vermeidung von Abfall jeglicher Form, konsequente Vermeidung von Treibhausemissionen durch die möglichst vielfältige Nutzung von natürlichen Baustoffen. Und die Nutzung von natürlichen Konstruktionsprinzipien. Denn wir müssen endlich begreifen: Mit der Natur kann man nicht verhandeln, sondern nur im Einklang leben.