Die Wegwerfgesellschaft
Keine neue Erkenntnis, aber immer ein hochbrisantes Thema: Wir leben in Deutschland in einem Konsum- Überfluss und Wegwerfgesellschaft. Neben anderen Dingen des Alltags stehen uns Lebensmittel immer und überall fast grenzenlos und zum Teil extrem günstig zur Verfügung.Pro Kopf und Jahr landen in deutschen Haushalten rund 75 Kilogramm Lebensmittel in der Abfalltonne. Zum Teil sind sie noch originalverpackt- eine wahnsinnige Zahl bedenkt man das weltweit gleichzeitig etwa 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden. Das ist weder ethisch noch sozial vertretbar! Die Gründe dafür sind vielfältig: schlechte Einkaufsplanung, Hamsterkäufe weil es so schön günstig ist, falsche Lagerung der Lebensmittel, so dass sie verderben, abgelaufene Lebensmittel diet ohne Probleme verzehrt werden könnten, Lebensmittel Reste die völlig unbegründet achtlos in der Tonne landen weil es geschmacklich gerade nicht so passt.
Weltweit geht jährlich etwa ein Drittel der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren, und die Verschwendung belastet die Umwelt. Jährlich entstehen dadurch mehr als 38 Millionen Tonnen Treibhausgase, gut 43.000 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Fläche werden genutzt sowie 216 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht. Für jedes Nahrungsmittel verbrauchen wir zudem Energie bei Herstellung und Transport und erwenden Pflanzenschutzmittel, Mineral- und Wirtschaftsdünger, die die Umwelt belasten.
Obwohl niemand gerne Essen verschwendet, wird in deutschen Haushalten jedes achte Lebensmittel weggeworfen. So landen in den Mülltonnen der Privathaushalte 6,7 Millionen Tonnen. Pro Person sind das zwei vollgepackte Einkaufswagen mit einem Warenwert von 234 Euro: etwa 82 Kilogramm. Im Außer-Haus-Verzehr entstehen ca. 1,9 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle, im Handel ca. 550.000 Tonnen, in der Industrie 1,85 Millionen Tonnen. Verluste in der Landwirtschaft sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Das Bundesumweltamt gibt konkrete Tipps wie Verbraucher Lebnsmittelabfälle effektiv vermeiden können:
Lebensmittelabfälle vermeiden - so geht‘s
• Geplant und nicht zu viel einkaufen: Ein Blick in den Kühlschrank vorm Einkauf hilft, Doppeleinkäufe zu vermeiden. Kalkulieren Sie richtig, wenn Sie Gäste haben, etwa zum Grillen: Wie viele Personen kommen und wer bringt was mit? Der Bedarf wird oft überschätzt.• Probieren vor wegwerfen: Nicht alle Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, müssen in den Abfall – verlassen Sie sich auf Ihre eigenen Sinne. Bei leicht verderblichen Lebensmitteln wie frischem Fisch oder Geflügel sollten Sie das Verbrauchsdatum aber auf keinen Fall überschreiten.
• Reste kreativ verwerten: Aus Resten lassen sich oft leckere Mahlzeiten, Saucen oder Fruchtshakes herstellen. Entdecken Sie neue Kreationen und Verarbeitungstechniken. Anregungen finden Sie z. B. über die „Beste Reste App“ des BMEL oder das Klimakochbuch der Stadtreinigung Hamburg.
• Richtige Lagerung in den unterschiedlichen Kältezonen des Kühlschranks und Lebensmittel in getrennten Gefäßen aufzubewahren verlängert die Lebensdauer. Leicht Verderbliches wie Fleisch und Fisch gehören in die kühlste Zone, also weit nach unten im Kühlschrank. Eier, Butter und Getränke brauchen es nicht ganz so kalt und sind in der Kühlschranktür gut aufgehoben.
• Verschenken statt wegwerfen: zum Beispiel über das Portal „Foodsharing“, die Tafeln, FoodFighters e.V. oder zahlreiche private Initiativen.
Maßnahmen zur Abfallvermeidung
Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen gehört zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Bis 2030 sollen diese um die Hälfte verringert werden. Dafür ist auch eine Entschärfung der Handelsnormen zu Aussehen und Form von Obst und Gemüse sinnvoll. Allerdings liegt es hier häufig auch am Handel selbst. Paradebeispiel ist die krumme Gurke. Seit der Abschaffung der Handelsnormen für 26 Produkte (darunter auch Gurken) im Jahr 2009 sollte diese eigentlich im Supermarktregal zu finden sein. Dennoch sucht man sie vergeblich, denn der Handel hat hier eigene Normen definiert, was es für Landwirte häufig noch schwieriger macht, nicht der Norm entsprechendes Obst und Gemüse zu vermarkten. Dabei sagen rein optische Gesichtspunkte nichts über die wirkliche Güte eines Apfels oder einer Tomate aus.Auch das gehört zum umweltfreundlichen Lebensmitteleinkauf: Ware aus der Region – mit kurzen Transportwegen und saisonal produziert – hat meist eine deutlich bessere Ökobilanz als Ware aus Übersee. Auch pflanzliche Nahrungsmittel entlasten die Umwelt: Die Produktion tierischer Produkte, v.a. Fleisch, bringt hohe Umweltbelastungen mit sich – durch Ressourcen- und Flächenverbrauch, aber auch Nitratbelastung von Böden und Gewässern und hohe Treibhausgasemissionen. Pflanzliche Produkte schneiden hier deutlich besser ab.
Nach dem Prinzip der sogenannten Sharing Economy – der Ökonomie des Teilens – sind in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen entstanden, die darauf ausgelegt sind, Dinge des täglichen Gebrauchs gemeinschaftlich zu nutzen und auf diese Weise Ressourcen zu sparen. Die Idee ist nicht neu, doch dank digitaler Kanäle und Social Media kann Essen heute effektiver gerettet werden als jemals zuvor – und unkomplizierter. Denn wer im privaten Rahmen Lebensmittel tauscht, muss weniger Vorgaben beachten als beispielsweise Supermärkte oder gemeinnützige Organisationen, die sich bei der Weitergabe an die entsprechenden Leitlinien der Europäischen Union halten müssen. Privates Teilen läuft auf eigene Verantwortung. Dennoch gelten feste Regeln beim Tausch von Lebensmittelresten, die private „Foodsharer“ beachten sollten.Die Do’s und Don’ts des Teilens• Der oberste Grundsatz beim Foodsharing lautet: Es wird nichts geteilt, was man nicht selbst noch essen würde. Äpfel mit Druckstellen oder altbackenes Brot? Grundsätzlich kein Problem, solange es tatsächlich noch genießbar ist.• Die eigenen Sinne nutzen! Angebrochene Verpackungen oder Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum dürfen – anders als bei der Tafel und ähnlichen Organisationen – innerhalb des Netzwerks weitergegeben werden. Vorausgesetzt, sie wurden vorab auf Aussehen, Geruch und gegebenenfalls Geschmack kontrolliert. • Hygienisch bedenkliche Lebensmittel dürfen nicht geteilt werden. Dazu zählen leicht verderbliche Produkte mit Verbrauchsdatum, Speisen mit rohen Eiern oder solche, die Fleisch oder Fisch enthalten. • Und bevor es losgeht: Wer aktiv Lebensmittel retten oder teilen möchte, sollte vorher immer einen Blick in die FAQs der jeweiligen Plattform werfen. Deutschlandweite Netzwerke zum privaten FoodsharingEines der größten Netzwerke zum Retten und kostenlosen Teilen von Lebensmitteln ist die Online-Plattform von Foodsharing e.V. Mitmachen kann jeder. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sich lediglich einmal offiziell registrieren. Dann können sie als sogenannte „Foodsharer“ entweder selbst übriggebliebenes Essen anbieten oder Lebensmittelreste von anderen abholen.
Übrigens: unter www.zugutfuerdietonne.de finden Interessierte Fakten zur Lebensmittelverschwendung sowie Tipps zur Lebensmittellagerung und Rezepte für beste Reste.
Neben dem Wegwerfen von Lebensmitteln werden auch völlig gebrauchsfähige Waren, die aus Retouren und Überhängen stammen millionenfach vernichtet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) plant deshalb weitreichende Maßnahmen.
Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz sollen Unternehmen Überhänge und Retouren nur noch dann vernichten dürfen, wenn dies zum Beispiel aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen notwendig ist.
Das Bundesumweltministerium will im Kreislaufwirtschaftsgesetz eine Obhutspflicht für Waren einführen. Unternehmen sollen Überhänge und Retouren nur noch dann vernichten dürfen, wenn dies zum Beispiel aus Sicherheits- oder Gesundheitsgründen notwendig ist. Leicht beschädigte Ware kann zum Beispiel zu herabgesetzten Preisen verkauft oder gespendet werden. Für viele Unternehmen ist dies bereits übliche Praxis. Welche Mengen tatsächlich vernichtet werden, und wie Händler mit Retouren und Überhängen umgehen, ist bislang nicht transparent genug. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesumweltministerium am 24. September Unternehmen aus der Mode-, der Elektronikgerätebranche sowie Online-Händler und Handels- und Umweltverbände zu einem Informationsaustausch geladen. Dabei kritisierten viele Handelsunternehmen die gegenwärtige steuerliche Schlechterstellung von Spenden gegenüber der Vernichtung von Waren. Dieser Dialog soll in den kommenden Monaten fortgesetzt werden. Dabei wird es um die Probleme gehen, die die Warenvernichtung begünstigen sowie um die Frage, wie im angemessenen Umfang Transparenz hergestellt und die Warenvernichtung in Zukunft reduziert werden kann.
Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth: „Ich danke allen Beteiligten für diesen konstruktiven Dialog und ihre Bereitschaft, sich dem Problem unnötiger Warenvernichtung zu stellen. Wir haben vereinbart, den Dialog fortzusetzen, insbesondere zu möglichen Transparenz-Kriterien. Parallel werden wir weiter an einer gesetzlichen Obhutspflicht im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes arbeiten. Unser Ziel ist es, unnötige Ressourcenverschwendung zu vermeiden. So lange neue Produkte funktionsfähig sind, sollen sie weiter genutzt werden.“
Die Gespräche ergaben, dass Retouren nur den kleineren Teil des Problems darstellen. Ladenhüter und Überhänge, aber auch fehlerhafte Verpackungen oder Etiketten, zum Beispiel im Kosmetikbereich, sind Gründe, warum intakte Waren vernichtet werden. Zugleich gibt es Anstrengungen, Retouren und Warenüberhänge von vornherein zu vermeiden, zum Beispiel durch Normierung textiler Größen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Verbände und Unternehmen beklagten einhellig, dass das Spenden gebrauchsfähiger Ware umsatzsteuerpflichtig ist beziehungsweise hierzu große Rechtsunsicherheiten bestehen. Sie betonten ebenfalls, dass sie selbst aus wirtschaftlichen Gründen daran interessiert sind, Retouren und Überhänge wieder in den Verkauf zu bringen anstatt sie zu vernichten. Hier kann die Praxis allerdings verbessert werden. Schwieriger ist der Umgang mit Waren, die nicht im Eigentum der Händler sind. In diesem Fall muss der Hersteller entscheiden, wie mit Retouren und Warenüberhängen verfahren werden soll. Besonders problematisch stellt sich dies bei direkten Lieferungen von Händlern außerhalb der EU dar.
Das Bundesumweltministerium wertet zurzeit die Rückmeldungen von Ländern und Verbänden zum Entwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes aus. Der darin vorgesehenen Obhutspflicht kommen Händler nach, wenn sie beispielsweise den Transport und die Aufbewahrung neuer Waren so gestalten, dass diese lange gebrauchstauglich bleiben. Sie soll ebenso bewirken, die Produktion von vornherein stärker an der Nachfrage auszurichten, um Überhänge bereits im Vorfeld zu vermeiden. Die Obhutspflicht umfasst zudem eine angemessene Transparenz über den Umgang mit Waren, die nicht mehr verkauft werden können.